Informationssuche

Für die meisten unserer Interviewpartner tat sich eine unbekannte und verwirrende Welt auf, als sie erfuhren oder merkten, dass sie einen Anfall gehabt hatten. Während die älteren unter ihnen erzählen, dass es in ihrer Jugend für sie und ihre Familien kaum Möglichkeiten gab, etwas über Epilepsie zu erfahren, berichten alle, dass es heutzutage sehr viele Angebote und Wege gibt, sich Information zu verschaffen.

Als wichtigste Quelle wird die Aufklärung von ärztlicher Seite betont, bei der Fragen nach den ganz persönlichen Besonderheiten der eigenen Erkrankung gestellt werden können. Die meisten Erzähler haben auch – manchmal nach mehreren Arztwechseln- Ärzte gefunden, die ihrem Informationsbedürfnis zufriedenstellend nachkommen und bei denen sie sich gut informiert fühlen. (siehe auch Thementext „Erfahrungen mit Ärzten“). Einige Erzähler berichten, wie günstig es ist, sich vor dem Arztbesuch schon auf anderen Wegen informiert zu haben und dadurch eine ergiebigere Diskussionsgrundlage mit den Ärzten zu haben.

Christian Voss informiert sich im Internet und in einer Epilepsie-Zeitschrift, um seine neuen Informationen mit den Ärzten zu diskutieren.

Beate Pohl hat so viel über Epilepsie gelesen, dass sie sich mit ihrem Arzt sehr gut fachlich unterhalten kann.

Die meisten Erzählerinnen und Erzähler nutzen viele unterschiedliche Informationsquellen gleichzeitig. Einige machten sehr positive Erfahrungen mit speziellen Materialien wie z.B. dem Modularen Schulungsprogramm Epilepsie (MOSES), Informationsveranstaltungen oder Fachtagungen, zu denen sie über Epilepsieberatungsstellen, Epilepsiezentren oder Selbsthilfegruppen Zugang bekamen und auch ihre Angehörigen mitbringen konnten. Sie erhielten dort nicht nur aktuelle Informationen und Diskussionsmöglichkeiten, sondern fanden es sehr nützlich, auf diesem Wege andere Betroffene und deren Erfahrungen und Umgangsweisen mit der Erkrankung kennen zu lernen. Auch bei Aufenthalten in Epilepsiezentren bekamen die Erzähler eine Fülle an Information über Broschüren, Gespräche und Gruppendiskussion zu allgemeinen und speziellen Themen im Zusammenhang mit ihrer Epilepsie. Hier schätzten die Interviewpartner es besonders, dass nicht nur die Ärzte, sondern auch anderes Fachpersonal zur Aufklärung und Beratung zu den unterschiedlichsten Problemen zur Verfügung stand.

Claudia Hartmann fand in der Klinik das Schulungsprogramm MOSES und die Gesprächsgruppen sehr interessant.

Fast alle Interviewpartner berichteten, dass sie bei ihrer Informationssuche das Internet nutzen. Hier gingen die Erfahrungen und Umgangsweisen auseinander. Während viele ihre Internetsuchen sehr ergiebig fanden, warnten einige sogar davor, sich im Netz ungefilterter Information auszusetzen oder rieten zu gezielten Strategien, um nicht überschwemmt zu werden und unnötige Ängste zu bekommen. Einige Interviewteilnehmer aus naturwissenschaftlichen oder medizinischen Berufen fanden ihr Vorwissen sehr nützlich, um im Internet gezielt nach bestimmten Begriffen suchen zu können. Katharina Sommer fand, dass man im Internet aufpassen muss, nicht in Foren zu landen, in denen sich nur Menschen mit schlimmen Verläufen gegenseitig bemitleiden. Einige äußerten auch Vorbehalte gegen Internetinformation, weil man oft nicht wisse, wie vertrauenswürdig sie sei.

Angelika Koch hat sich Information aus dem Internet ausgedruckt, um sie dann in Ruhe abzuarbeiten.

Anja Bauer geht im Internet vor allem auf Fachseiten.

Florian Beck wusste schon viel durch seine Ausbildung und konnte dadurch im Internet gezielt suchen.

Sven Franke fand im Internet nur Schlimmstes über seinen Tumor, fand es aber hilfreich, die Arztbriefe zu studieren.

Einige Patienten beklagten, dass sie von medizinischer Seite oft viele Jahre gar nicht oder nur sehr schlecht über ihre Erkrankung aufgeklärt worden waren. Sie fanden, dass die Ärzte nur sehr zögerlich oder ungenau über die Anfälle sprachen und man sich sehr viele Informationen erst selbst beschaffen musste.

Bettina Reinhard bekam anfangs kaum Information und erkundigte sich bei Bekannten, die auch Anfälle hatten.

Timo Lindner hat sich erst nach vielen Jahren über seine Epilepsie informiert und fand viel Interessantes.

Annegret Berger fand erst viele Jahre nach der ersten Diagnose Aufklärung.

Das Bedürfnis nach Information war bei unseren Interviewpartnern unterschiedlich stark. Während die meisten berichteten, dass sie vor allem in der ersten Zeit jedes Wissen zu Epilepsie aufgesogen hätten, wollten andere sich zunächst gar nicht damit auseinander setzen, erzählten von ihrer damaligen „Vogel-Strauß-Politik“ und fanden es oft erst viele Jahre später nützlich, sich Information anzueignen. Andere berichten, dass sie heute gar kein Interesse mehr daran haben, da es für sie kaum etwas Neues zu finden gibt.

Dagmar Schuster wollte sich jahrelang nicht mit ihrer Erkrankung beschäftigen.

Alexandra Ludwig sog am Anfang alle Information auf, fand sie aber auch verwirrend.

Christine Becker hat nach der Operation ihre Erfahrungen in einem Buch aufgearbeitet.

Anton Huber hat das Interesse an Information zur Epilepsie verloren.

Trotz der vielen Informationsmöglichkeiten gab es Fragen, auf die einige Erzähler nie eine Antwort bekommen konnten. Das betraf vor allem die Frage nach der Ursache ihrer eigenen Erkrankung, ob sie befürchten mussten, ihre Epilepsie an ihre Nachkommen zu vererben, oder mit welcher Entwicklung ihrer Krankheit sie in Zukunft rechnen könnten. Hier bleiben die Informationsquellen und auch die Ärzte oft sehr vage oder verweisen darauf, dass man das nicht sagen könne oder sich das erst mit der Zeit zeigen würde (siehe auch Thementext „Vererbung und Kinderwunsch“).

Nicole Winter konnte nirgendwo erfahren, ob ihre Epilepsie erblich ist.