Berufswahl und Ausbildung

Viele unserer Interviewpartner berichteten, dass die Epilepsie keinen Einfluss auf ihre Berufswahl gehabt habe, da der gewählte Beruf von der Epilepsie nicht betroffen war oder sie keine Rücksicht darauf nehmen wollten. Andere mussten ihre Berufswünsche aufgeben, weil sie nicht mit dem Auftreten von Anfällen vereinbar waren. Eine solche Umorientierung war oft schmerzhaft und wurde auch nicht immer als gerechtfertigt empfunden. Einige Erzähler erhielten in dieser Phase vom Arbeitsamt Beratung, die meisten mussten sich aber selbstständig informieren und entscheiden.

Berufswünsche scheiterten zum Beispiel, weil sie mit einer Verletzungsgefahr verbunden waren wie z.B. bei Arbeit mit offenen Maschinen und gefährlichen Werkzeugen oder beim Umgang mit Chemikalien und anderen gefährlichen Stoffen. Auch von Arbeit im Schichtbetrieb wurde einigen abgeraten. Manche Berufe hätten einen Führerschein erforderlich gemacht, was zu dem Zeitpunkt nicht möglich war. Manchen, die im Kindergarten oder in der Schule arbeiten wollten, wurde gesagt, dass sie dort ihrer Aufsichtspflicht nicht zuverlässig nachkommen könnten. Einige hatten den Eindruck, dass man sie nicht gern mit Kunden oder Publikum arbeiten lassen wollte. Meist kam der Rat, sich eine Ausbildung und Tätigkeit in einem Büro zu suchen.

Cornelia Schmitt konnte nicht ihren ersten Berufswunsch verwirklichen, hat aber heute auch Vorteile davon.

Katharina Sommer hat bei der Berufsentscheidung nicht an die Epilepsie gedacht, war aber indirekt dadurch geprägt.

Anton Huber wurde wegen der Epilepsie Buchhalter, empfindet diesen Beruf aber nicht als Berufung.

Silke Fuchs tat es sehr weh, aus Vernunftsgründen vorerst auf ihren Traumberuf verzichten zu müssen.

Christine Becker musste sich mit ihren Enttäuschungen arrangieren.

Claudia Hartmann ist mit ihrer Ausbildung und Bürotätigkeit nicht glücklich und denkt über eine Alternative nach.

Viele berichteten, dass es wegen der Epilepsie erschwert war, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Timo Lindner setzte seinen Schwerbehindertenausweis von 100 auf 50% , damit er die Lehrstelle antreten konnte. Sehr unterschiedlich gingen unsere Interviewpartner auch mit der Frage um, ob sie an der Lehrstelle schon vorab über ihre Erkrankung informieren sollten. Sie machten sowohl mit dem Offenlegen als auch mit dem Verschweigen der Epilepsie gute wie schlechte Erfahrungen (siehe auch Thementexte „Reden über Anfälle“ und „Berufstätigkeit und Berentung“ sowie Information unter www.izepilepsie.de/home/showdoc,id,399,aid,396.html).

Viele konnten ihre Lehre oder ihr Studium erfolgreich abschließen. So fühlen sich zum Beispiel Sven Franke und Anna Blum bei guter Anfallskontrolle in ihrer Leistungsfähigkeit für Ausbildung und Studium nicht eingeschränkt. Andere mussten wegen Anfallshäufungen oder Überforderung, die oft mit dem Stress der Ausbildungssituation zu tun hatten, abbrechen. Oft kostete es große Mühe, Anstrengung und Zähigkeit, den Anforderungen mit der Erschwerung durch die Anfälle oder die Nebenwirkungen der Medikamente nachzukommen.

Tobias König konnte seinen zweiten Ausbildungsversuch erfolgreich abschließen.

Andreas Bergmann konnte wegen der Anfälle nur eingeschränkt in seinem Ausbildungsberuf eingesetzt werden.

Matthias Groß musste seine Kochlehre abbrechen, weil es mit den Anfällen zu gefährlich wurde.

Anton Huber wurde wegen der Epilepsie Buchhalter, empfindet diesen Beruf aber nicht als Berufung.

Bei David Sahin wollte die Betriebsärztin am Ende seiner Ausbildung keine Zustimmung zur Berufsausübung geben.

Umschulungs- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie Unterstützung durch Beratungsstellen und Integrationsdienste konnten sehr hilfreich sein, um schließlich den richtigen Arbeitsplatz zu bekommen. Auch hier berichten manche davon, dass viel Eigeninitiative nötig gewesen sei.

Für Manuela Walter ist ein Arbeitsplatz in einer Werkstatt für Behinderte eine gute Lösung.

Bei Andreas Bergmann scheiterten berufliche Rehamaßnahmen an den Anfällen.

Dagmar Schuster hörte vom Arbeitsamt nur, sie sei nicht vermittelbar, und erarbeitete sich alles selbst.

Für manche unserer Interviewpartner war aufgrund der unregelmäßigen und unvorhersehbaren Anfälle keine berufliche Integration oder auch keine geringfügige Beschäftigung als zusätzlicher Verdienst zur Rente mehr möglich. Andreas Bergmann erlebte sogar, dass er auch bei ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht gern gesehen war, während Martin Krüger Ehrenämter übernehmen konnte.

Wegen der Art seiner Anfälle sieht Andreas Bergmann keine Chance, einen Minijob zu seiner Rente zu bekommen.