Claudia Gross sah zunächst keinen Sinn in psychologischen Gesprächen, fand sie dann aber sehr hilfreich, um eine neue Sichtweise zu bekommen.

Haben Sie es als notwendig empfunden, auch psychologische Gespräche in Anspruch zu nehmen?
Nein. Ich hatte es nicht als notwendig gefunden, aber ich hatte eins draufstehen. Und ich weiß noch, den ersten Tag, es war ein Psychologe. Er sagte: „Frau Gross, warum sind Sie hier?“ Und ich sagte: „Ich weiß es, um ehrlich zu sein, nicht.“  Ja, und dann sollte ich ihm erklären von meiner Krankheit. Und wo meine Probleme sind. Und die Probleme, aus psychologischer Sicht, waren eindeutig zu akzeptieren, wie es ist. Also die Situation zu akzeptieren. Denn mein Mann und ich, wir haben uns über die Jahre viel abgearbeitet, um das zu haben, was wir jetzt haben. Und, ja, unser kleiner Sohn, mit dem wir Ausflüge gemacht haben. Und plötzlich wird einem das alles genommen. Ich war nicht mal mehr in der Lage, meine Freizeit so zu gestalten, wie ich es will. Ob es jetzt Kinoabende waren. Weil ich einfach Schmerzen hatte und sagte: „Fahrt ohne mich. Mir tut alles weh.“  Und, ja, Herr... der Psychologe hat dann weiter nachgebohrt. Und das größte Problem für mich war, dass ich mich zu kritisch sehe. Also wenn mein Sohn dann sagt: „Mama, können wir Fahrrad fahren?“, und ich musste ihm sagen: „Mir tut alles weh“, hat er es hingenommen. Er sagte: „Ist nicht schlimm. Dann machen wir es ein andermal.“ Aber ich fühlte mich schlecht. Und genauso gegenüber meinem Mann, der dann abends nach Hause kam und den Rest vom Haushalt machen musste, weil ich es nicht geschafft habe, obwohl ich den ganzen Tag zu Hause war. Er hat nie was gesagt. Im Gegenteil, er hat noch gefragt, ob er mir einen Tee machen soll oder einen Kaffee. Also er war sehr zuvorkommend, aber ich fühlte mich schlecht. Ich dachte, ich enttäusche Personen, die ich mag. Und da hat er geholfen, ja, den Blick ein bisschen anders zu drehen. Er sagte dann: „Wenn ihr Mann krank wäre oder ihr Sohn, würden Sie es genauso tun.“ Und da hat er ja Recht. Ich weiß nur nicht, warum man selber dann dazu neigt, sich selber so zu kritisieren. Und, ja, er hat mir da geholfen, nicht alles schwarz zu sehen. Es gibt nicht nur schwarz und weiß. Und ich muss meine Grenzen anders setzen. Nicht so wie vorher, jetzt acht, neun Stunden arbeiten und Kind, Haushalt. Sondern ich muss daran denken, wie ich dahingekommen bin zur Reha und wie ich zurückgehe. Und da es ja mitten in der Reha war, dieses Gespräch, war ich erst ein bisschen kritisch. Aber jetzt würde ich sagen, er hat Recht gehabt. Also es hat schon was gebracht, nur indem man den Blickwinkel ändert. Denn hätte ich das nicht getan und dieses Gespräch nicht gehabt, wäre ich nach Hause gefahren, hätte gesagt: „Hm, hast immer noch Schmerzen. Leichte zwar, aber du hast Schmerzen. Du kannst immer noch nicht Fahrrad fahren oder mit dem Jungen auf den Bolzplatz.“ Aber, dass ich jetzt den Haushalt leichter bewältigen kann, das hätte ich nicht gesehen. Oder dass ich es schaffe, morgens früh aufzustehen, den Kleinen zur Schule zu bringen, in der Zeit einzukaufen, den Haushalt soweit zu erledigen, dass er nur noch nach Hause kommen muss. Essen ist dann schon fertig gekocht. Das sind für mich schon Fortschritte. Und das wäre vor der Reha nicht denkbar gewesen. Also psychologische Betreuung war da gut. Ich hatte, glaube ich, zwei Gespräche mit dem Herrn. Und, ja, die waren schon sehr hilfreich, wenn auch am Anfang nicht klar war, warum.

Rheumatologische Reha bei einer Autoimmunerkrankung