Die Erfahrungen von Norbert Merkle

Portrait Norbert Merkle ist zum Zeitpunkt des Interviews 57 Jahre alt. Er ist verheiratet und Stiefvater von drei erwachsenen Kindern. Nach abgeschlossener Metallerausbildung war er im Einzelhandel tätig und ist nun Lehrer. Nach mehreren Monaten der Krankschreibung aufgrund eines Burnouts wurde er von seiner Krankenkasse aufgefordert, eine psychosomatische Reha zu beantragen.

Nachdem Norbert Merkle über einen langen Zeitraum von seiner Hausärztin krankgeschrieben war, wurde er von seiner Krankenkasse aufgefordert, eine Reha zu beantragen. Er schildert, wie er diese Maßnahme vorerst innerlich ablehnte, dann aber langsam eine positive Einstellung entwickelte und schließlich mit dem Willen zur Veränderung die Reha begann. Er entschied für sich, die Zeit positiv zu nutzen.

Dieser Impuls war für Norbert Merkle das Entscheidende an der Reha, denn er konnte zwar von dem Sportangebot der Reha profitieren, jedoch wenig von der psychotherapeutischen Arbeit während der 20minütigen Einzeltherapien pro Woche. Er erzählt, dass die Therapeuten der Klinik mit insgesamt zu viel Arbeit belastet waren, als dass sie sich ernsthaft den verschiedenen Problemen eines jeden Patienten in der Klinik individuell hätten widmen können. Die Gruppentherapiestunden konnte er jedoch gut für sich nutzen, da er entschieden hatte, sich und seine Themen einzubringen.

In der ersten Woche des sechswöchigen Reha-Aufenthalts fand Norbert Merkle, obwohl er sonst eher zurückhaltend war, schnell den Zugang zu anderen Leuten, indem er beim Essen gezielt auf Mitpatienten zuging. Er wurde Teil einer vertrauten Clique, mit der er heute noch in Kontakt steht und aus der sich Freundschaften entwickelten. Die Eingebundenheit in die Gruppe hat Norbert Merkle sehr genossen, sie unterstützte ihn und tat ihm gut. Die Clique unternahm auch in der freien Zeit vieles gemeinsam. Er schildert, dass er an den Wochenenden sogar im Zwiespalt war: einerseits freute er sich, dass seine Frau ihn besuchte, andererseits verpasste er so gemeinsame Unternehmungen mit der Gruppe.

Norbert Merkle schildert, dass zu Anfang keine gemeinsame Zielformulierung mit den Ärzten stattfand. Auch wurde auf Besonderheiten seines Lehrerberufs oder der zu der Zeit schwierigen Beziehung zu seiner Frau leider nicht eingegangen. Außerdem kritisiert er Intransparenz und Starrheit bezüglich des Therapieprogramms. Von den möglichen Angeboten erfuhr er häufig erst über Mitpatienten. Allerdings gab es in der Reha viel freie Zeit, so dass er eine vierwöchige Reha mit stärkerer Auslastung dem sechswöchigen Aufenthalt vorgezogen hätte. Auch bemängelt er die fehlende organisierte Nachsorge und sagt, dass er sich nach der Reha vom Gesundheitssystem alleingelassen fühlt. Dennoch ist sein Vorschlag an die Krankenkasse, Menschen, die mit psychosomatischen Beschwerden länger krankgeschrieben sind, früher anzusprechen, da sonst viel Zeit ungenutzt ins Land gehe. Letztlich war für ihn die Reha zumindest ein erster Impuls, sich mit sich und seiner beruflichen Situation auseinanderzusetzen.

Im Anschluss an die Reha suchte sich Norbert Merkle eine ambulante Psychotherapeutin und profitiert sehr von den regelmäßigen Sitzungen. Die schrittweise Wiedereingliederung erlebte er als positiv, da sie es ihm ermöglichte, langsam wieder in den Alltag einzusteigen, ohne dabei die wiedergewonnene Ruhe zu verlieren. Sein berufliches Umfeld reagierte nach seiner Rückkehr außer mit Betroffenheit und Unbeholfenheit kaum. Als Fazit nennt Norbert Merkle, dass die Reha einem durch die Herausnahme aus dem gewohnten Umfeld zwar Raum für Erholung biete, dass man aber den größten Teil selbst in die Hand nehmen müsse, um von dieser Zeit profitieren zu können.

Das Interview wurde im Sommer 2014 geführt.