Die Erfahrungen von Wolfgang Krimmel

Portrait Zum Zeitpunkt des Interviews ist Wolfgang Krimmel 69 Jahre alt. Er arbeitet freiberuflich als Künstler. Vor etlichen Jahren machte er nach einem Herzinfarkt eine sechswöchige kardiologische Rehabilitation.

Wolfgang Krimmel erzählt, dass er von der behandelnden Klinik aus direkt die Rehabilitation (AHB) antrat. Die Reha-Klinik wurde ihm durch die Krankenkasse zugewiesen, eine Ortswahl war nicht möglich. Diese Klinik war noch nicht fertig gebaut und hatte erst kurz zuvor den Betrieb aufgenommen. Mit seiner Unterbringung in einem Einzelzimmer war er zufrieden. Wie Wolfgang Krimmel schildert, herrschte in der Klinik jedoch ein dramatischer Personalmangel. Dies war für ihn während des Aufenthalts überall spürbar und ein großes Ärgernis.

Der Therapieplan sah für ihn an medizinisch-physiologischen Maßnahmen lediglich Blutdruckmessungen, Ergometer-Training und Walking vor. An den meisten anderen Angeboten nahm Wolfgang Krimmel bewusst nicht teil. Die psychologischen Gruppengespräche empfand er vor dem Hintergrund eigener professioneller Erfahrungen in der psychosozialen Arbeit als stümperhaft und blieb ihnen fern. Er erzählt, dass es in der Klinik keine hilfreichen Angebote und auch kein Verständnis dafür gab, die persönliche Bedeutung einer Erkrankung und deren Auswirkungen auf das eigene Leben zu reflektieren. Das zeigte ihm auch ein Gespräch über Rehabilitation, das er mit dem Chefarzt führte.

Die Konfrontation mit den mitunter schwerkranken Mitpatienten mit Atemgeräten und das Auftreten von einigen in Bademänteln und Pantoffeln erlebte er als eine ärgerliche Herausforderung. In Verbindung mit der billigen Einrichtung der Klinik, der ständigen Hintergrundmusik und Kunstblumen als Dekoration kam er sich vor wie in einem schlechten Film. Da er die Umgebung der Klinik als trostlos erlebte, sah er für seine Verhältnisse sehr viel Fernsehen, was ihm wiederum nicht gut tat.

Zur Mitte der Reha-Zeit wollte Wolfang Krimmel die Reha verlassen, weil er auch keine Verbesserung seines Gesundheitszustandes durch die Anwendungen erkennen konnte. Wie er berichtet, erklärte ihm sein Hausarzt aber, dass er in diesem Fall die Kosten für die Reha an die Krankenkasse zurückerstatten müsse, und so blieb er gezwungenermaßen die vollen sechs Wochen in der Klinik. Er berichtet, dass sich bei seinem Abschied das Personal bei ihm entschuldigt habe, sie seien es nicht gewohnt mit souveränen Patienten umzugehen.

Wolfgang Krimmel schildert, dass er sein Kranksein als eine Kränkung und eine Beleidigung für seinen Geist begriff. Es war schwer für ihn, auf die eigene Körperlichkeit zurückgeworfen und Objekt der Handlungen anderer zu sein. Der Herzinfarkt bedeutete für ihn auch eine erhebliche Umstellung seines Lebenswandels. So musste er auf Schokolade, Kaffee und Rauchen verzichten, außerdem regelmäßig Sport treiben und auch wegen eines hinzukommenden Diabetes seine Ernährung umstellen. Die Rehaklinik habe ihm dabei überhaupt nicht geholfen, erzählt er.

Nur unter bestimmten Bedingungen kann sich Wolfgang Krimmel eine weitere Reha vorstellen: Es müsste eine alte Institution mit ansprechender Architektur sein, die ihren Patienten eine Inanspruchnahme des Kulturprogramms im Ort ermöglicht. Allerdings würde ihn selbst dann nur die Abenteuerlust, nicht die Einsicht in eine Reha führen. Als Botschaft an Ärzte in der Rehabilitation ist es Wolfgang Krimmel wichtig, dass die Ärzte sich nicht hinter der Maske der Objektivität gegenüber Krankheiten und Patienten verstecken, sondern sie sollten als Menschen, auch mit Ecken und Kanten, greifbar sein. Sie sollten sich außerdem mehr Gedanken über Gesundheit und gesundes Leben machen, wie es noch der Begriff des Sanatoriums nahelege, anstatt sich nur auf die Krankheiten zu konzentrieren. Er merkt auch an, dass die Unvergleichlichkeit und Einmaligkeit von Krankheitserlebnissen verloren gehe, wenn man versuche, solche Erfahrungen zu vereinheitlichen und einen therapeutischen Effekt davon erwarte, dass Patienten Ähnlichkeit in den Erfahrungen anderer erkennen. Deshalb rät er Mitpatienten, immer auf Einzelgesprächen anstelle von Gruppengesprächen zu bestehen.

Das Interview wurde im Herbst 2014 geführt.