Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen

Nicht zu wissen, warum sie sich auch noch Monate nach der Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht wieder gesund fühlten und sie ihrem privaten sowie beruflichen Alltag wie vor der Infektion nicht mehr nachkommen konnten, verunsicherte und belastete Interviewpartner*innen mit langanhaltenden Symptomen. In den Interviews erzählten sie von ihren Arzt- und Untersuchungs-Odysseen, um herauszufinden, was die Ursache für ihr Befinden war und wie sie ihre Symptome lindern konnten. Was sie dabei erlebten, war sehr unterschiedlich.

Viele unsere Interviewpartner*innen mit langanhaltenden Symptomen sagten, dass ihre Hausärzt*innen ihre erste Anlaufstelle bei der Aufklärung und Behandlung ihrer Symptome waren. Von dort wurden sie an weitere Fachärzt*innen oder COVID-Ambulanzen weitergeleitet. Einige Interviewpartner*innen fühlten sich bei ihren Hausärzt*innen gut aufgehoben, da ihnen zugehört wurde und sie bei der Suche nach der Ursache und der Behandlung ihrer Symptome unterstützt wurden. Andere Interviewpartner*innen schilderten, dass sie das Gefühl hatten, dass ihre Hausärzt*innen mit ihren Symptomen überfordert waren und sie sich nicht ernst genommen fühlten. Oftmals berichteten unsere Interviewpartner*innen auch davon, dass ihnen die Ärzt*innen rieten, Geduld zu haben und abzuwarten. Dies zu hören, war für viele Interviewteilnehmer*innen nur schwer zu ertragen, wollten sie doch so schnell wie möglich gesund werden und in ihren gewohnten privaten und beruflichen Alltag wie vor der Infektion zurückfinden. Ab und an wechselten sie daher auch ihre Hausärzt*innen, wenn sie nicht mehr weiterkamen.

Der Hausarzt von Karl Metz sagte ihm, dass er Geduld haben sollte.

Nicole Dachner hatte einen tollen Hausarzt, der mit ihr auch Anträge ausfüllte und ihr dabei auch am Wochenende zur Seite stand.

Felicitas Welter fand einen neuen Hausarzt, mit dem sie gemeinsam nach COVID-Ambulanzen suchte.

Martin Krause zog in Erwägung, seinen Hausarzt zu wechseln, da er dort nicht weiterkam.

Lothar Winkler empfand sich gut betreut von seiner Hausärztin, die schnell erkannte, dass er eine Fatigue entwickelte.

Julia Unruh fühlte sich von ihrem Hausarzt nicht ernst genommen und wechselte den Hausarzt.

Stephan Bergmann sagte, dass er zusammen mit seiner Hausärztin seine weitere Behandlung koordinierte.

Da viele unserer Interviewpartner*innen meist mehrere, unterschiedliche Symptome entwickelten, suchten sie verschiedene Fachärzt*innen oder COVID-Ambulanzen auf, um diese abzuklären. Einen Termin zu bekommen, beschrieben sie als besonders schwer. Das frustrierte viele, da oftmals viel Zeit verstrich, bis ihnen, wie erhofft, geholfen werden konnte. Vereinzelt beschrieben Interviewpartner*innen, dass ihnen ihre Hausärzt*innen oder andere behandelnde Ärzt*innen dabei halfen, schneller einen Termin zu bekommen. Einige nutzten auch Apps, wie die Doctolib-APP, und hatten so die Möglichkeit online mit Fachärzt*innen zu sprechen. Außerdem schilderten einige, dass die Entfernung zu den Fachärzt*innen und COVID-Ambulanzen in einigen Regionen Deutschlands recht groß war.

Rita Machner bekam keinen Termin in einer COVID-Ambulanz und nach vier Wochen einen Termin bei einem Pneumologen, da ihre Tochter im gleichen Krankenhaus tätig war.

Monika Steiner vereinbarte mit ihrer Hausärztin, dass, wenn ein Termin bei einem Facharzt notwendig war, sie diesen zeitnah vereinbaren würde.

Dominique Kouri war froh, dass sie über die Doctolib App schnell einen Termin bei einem Neurologen bekam.

Stephan Bergmann beschrieb, dass er lange Wartezeiten und weite Strecken für seine Behandlung in Kauf nahm.

Unsere Interviewpartner*innen mit langanhaltenden Symptomen erzählten, dass sie bei Fachärzt*innen und in den Covid-Ambulanzen verschiedene Untersuchungen, von Blutuntersuchungen über Lungenfunktionstests und EKGs bis hin zu CTs und MRTs, durchführen ließen. Einzelne Interviewpartner*innen schilderten auch, dass sie bei bestimmten Verdachtsfällen stationär untersucht worden sind. So erzählte Helen Struch, dass bei ihr ein Verdacht auf Leukämie bestand und sie deswegen stationär im Krankenhaus aufgenommen worden war. Dominique Kouri sagte, dass sie aufgrund des Schwindels und der Übelkeit mit Verdacht auf Schlaganfall im Krankenhaus untersucht wurde. Beide berichteten, dass sie wussten, dass sich ihre Verdachtsdiagnosen nicht bestätigen würden und sie behielten Recht.

Als der Verdacht auf Leukämie geäußert wurde, war sich Helen Struch sicher, dass dies nicht stimmte und im Krankenhaus wurde die Diagnose auch nicht bestätigt.

Dominique Kouri wurde im Krankenhaus mit Verdacht auf Schlaganfall untersucht und fühlte sich dort gut versorgt.

Oftmals schilderten unsere Interviewpartner*innen mit langanhaltenden Symptomen, dass alle diagnostische Werte und Untersuchungen unauffällig waren. Auf der einen Seite beruhigte sie dies, da nichts Schlimmes gefunden wurde. Auf der anderen Seite waren sie dadurch nochmal mehr verunsichert und waren frustriert, da sie trotzdem körperliche Beschwerden spürten und nicht wussten, wie man diese nun behandeln, heilen und/ oder lindern konnte. Vielen half es, von ihren Ärzt*innen zu hören, dass es anderen ähnlich ging wie ihnen. Auch erlebten einige Interviewpartner*innen, dass Ärzt*innen sagten, dass die Symptome psychosomatisch wären. Dies ärgerte die Interviewpartner*innen sehr und sie fühlten sich nicht ernst genommen. Verzweifelt beschrieben sie, wie schwierig es war, ihre körperlichen Beschwerden den Ärzt*innen oder anderen zu vermitteln, da die Beschwerden von außen nicht zu sehen waren. Dies wird unter Auswirkungen der langanhaltenden Symptome auf den Alltag detaillierter beschrieben.

Ruth Großer ging von Arzt zu Arzt, aber es konnte nichts festgestellt werden.

Martin Krause sagte, dass bei ihm nichts Medizinisches festgestellt werden konnte, aber er trotzdem die körperlichen Beschwerden bemerkte, die auch sein näheres Umfeld erlebte. 

Helen Struch fand es unbefriedigend von dem Arzt zu hören, dass jede Erkrankung psychosomatisch ist.

In den COVID-Ambulanzen fühlten sich die meisten unserer Interviewpartner*innen mit langanhaltenden Symptomen gut aufgehoben, da sie sich dort verstanden und ernst genommen fühlten. Vereinzelt beschrieben unsere Interviewpartner*innen, dass sie dort in erster Linie untersucht wurden, aber keine Therapie- oder Behandlungsmöglichkeiten ausgesprochen wurden.

Andrej Schwenke-Korac beschrieb, dass er sich in der COVID-Ambulanz wohlfühlte, da man dort auf ihn einging.

Einige Interviewpartner*innen erzählten, dass im Laufe verschiedener Untersuchungen Diagnosen bei ihnen gestellt werden konnten: Fatigue, Konzentrationsschwächen, Schädigungen des Herzens oder der Lunge. Andere beschrieben, dass bei ihnen Antikörper im Blut und/oder Autoimmunerkrankungen gefunden wurden.

Regina Kopp sagte, dass der Neurologe das Fatigue-Syndrom diagnostizierte.

Bei Ruth Großer wurden Atemaussetzer und eine niedrige Sauerstoffsättigung nachts festgestellt.

Bei Nicole Dachner wurde eine Myasthenia Gravis und Hashimoto Antikörper festgestellt, dies erklärte ihr ihre Kraftlosigkeit.

In den Interviews erzählten einzelne Interviewpartner*innen mit langanhaltenden Symptomen, dass ihre behandelnden Ärzt*innen die Diagnose Long COVID stellten. Andere sagten, dass ihre Ärzt*innen nicht mehr mit ihnen und ihren Beschwerden weiterwussten. Daher suchten unsere Interviewpartner*innen nach Informationen und stießen im Internet, auf unterschiedlichen Plattformen oder im Fernsehen auf Informationen über Long COVID. Diese Erkenntnisse diskutierten sie mit ihren Ärzt*innen und viele Ärzt*innen fanden das Krankheitsbild Long COVID für die Interviewpartner*innen zutreffend. Wie auch Tobias Egger beschrieben andere Interviewteilnehmer*innen, dass sie es komisch empfanden, einen Wissensvorsprung vor dem Arzt zu haben. Generell halfen die Diagnosen vielen unserer Interviewpartner*innen, sich ihre Symptome zu erklären und mit diesen besser umzugehen.           

Tobias Egger informierte sich im Internet über Long COVID und erzählte seinem Hausarzt, dass diese Symptome auch bei ihm passen würden.

Julia Unruh erzählte, dass ihr Hausarzt bereits früh Long COVID vermutete und dies später auch bestätigte.

Vereinzelt äußerten unsere Interviewpartner*innen ihre große Enttäuschung und Frustration mit der gesundheitlichen Versorgung und wie man mit ihnen umging. Dabei empfanden sie es als besonders frustrierend, dass Ärzt*innen nicht weiterwussten, überlastet waren, es keine Therapien gab, evidenzbasierte Forschung so lange dauerte, dass sie das Gefühl hatten, dass ihnen nicht geholfen wurde und dass ihre anhaltenden Beschwerden nicht ernst genommen wurden. Felizitas Welter als Beispiel erzählte, dass sie freiwillig an einer Medikamentenstudie für Long COVID teilnahm und sie dabei miterlebte, wie sich der Start der Studie hinauszögerte. Dies war für sie unverständlich, da sie schneller Hilfe erwartete. 

Monika Steiner fühlte sich alleingelassen und war der Meinung, dass Ärzt*innen auch manchmal nicht weiter wissen.

Felicitas Welter hatte das Gefühl, dass Long COVID nicht schwerwiegend eingeordnet wurde.