Rehabilitation

Viele unserer Interviewpartner*innen schilderten, dass es ihnen aufgrund der langanhaltenden Symptome oftmals nicht mehr möglich war, zu arbeiten oder an ihrem familiären Alltag wie vor ihrer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 teilzunehmen. Ihnen war es daher besonders wichtig, sich wieder besser zu fühlen und wieder zu Kräften zu kommen, da sie ihren privaten sowie beruflichen Alltag wieder bewältigen wollten. Sie wünschten sich mit ihren Symptomen schnellstmöglich Hilfe und sie wollten nicht mehr hören, dass sie Geduld haben und abwarten sollten. Daher waren die meisten unserer Interviewpartner*innen einer Rehamaßnahme sehr offen gegenüber. Sie erhofften sich dadurch, dass ihre Symptome dort mit verschiedenen Anwendungen gelindert und/ oder ihnen Wege gezeigt werden könnten, wie sie mit ihren Symptomen besser im Alltag umgehen könnten. Auch erdachten sie etwas Ruhe abseits ihres normalen Alltags für sich zu finden.

Felicitas Welter stoß selber an, eine Reha zu machen, um aus dem Alltagsstress herauszukommen und etwas Ruhe zu bekommen.

Martin Krause beschrieb die Wichtigkeit und Dringlichkeit eine Rehamöglichkeit in Anspruch zu nehmen, zum einen um wieder arbeiten zu können und zum anderen um nicht mehr hören zu müssen „Warten Sie mal ab“.

Vereinzelt fühlten sich Interviewpartner*innen noch zu schwach für eine Reha oder wollten im Zeitraum der COVID-19 Pandemie keine Reha aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen und den damit verbundenen Einschränkungen in Anspruch nehmen. Daher entwickelten sie ihr eigenes rehabilitatives Trainingsprogramm zuhause.

Da Viktor Amsel keine mobile Rehabilitationsmöglichkeit fand, entwickelte er mit viel Geduld und Disziplin sein eigenes Trainingsprogramm.

Die Wege zu einer Reha waren ganz unterschiedlich bei unseren Interviewpartnern. Manche Interviewpartner*innen erhielten keine Informationen über eine mögliche Reha und waren sich daher unsicher, ob eine Rehamaßnahme überhaupt für sie infrage kam. Außerdem war es vielen nicht klar, ob es Rehamöglichkeiten für Menschen mit Langzeitfolgen von COVID-19 gab.

Lars Enders hatte an eine Rehamöglichkeit gedacht und war sich unsicher, ob es für ihn überhaupt die Möglichkeit einer Rehamaßnahme gegeben hätte.

Manchen wurde eine Reha von Hausärzt*innen, Covid-Ambulanzen oder anderen Fachärzt*innen empfohlen. Da einige unserer Interviewpartner*innen bereits Erfahrungen mit einer Reha aufgrund anderer Erkrankungen gemacht hatten, initiierten sie selbst den Rehaantrag in Absprache mit ihrem Hausarzt oder sie informierten sich bei ihrer Krankenkasse über mögliche Rehakliniken. Einige Interviewpartner*innen, die sich wahrscheinlich bei ihrer beruflichen Tätigkeit (v.A. Berufe im medizinischen Sektor) mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten, erhielten von der Berufsgenossenschaft ein Rehamanager an die Seite gestellt, der ihnen bei der Antragstellung sowie bei weiterer Diagnostik und auch nach der Reha noch zur Seite stand.

Monika Steiner hatte nach ihrem Krankenhausaufenthalt aufgrund von COVID-19 selbst darauf gedrängt, eine Reha zu machen.

Martin Krause wurde vom Neurologen auf eine Rehamaßnahme aufmerksam gemacht.

Lothar Winkler hoffte auf Heilung, aber der Name Long Covid sagte ihm bereits, dass die Besserung der Symptome wahrscheinlich länger dauern würde. In einer COVID-Ambulanz wurde er auf die Möglichkeit einer Kur/ Reha aufmerksam gemacht.

Zu Beginn der COVID-19 Pandemie, aber auch noch bis in das Jahr 2022, gab es deutschlandweit nur wenige Rehakliniken, die sich auf die Langzeitfolgen von COVID-19 spezialisiert hatten. Die Wartezeiten auf einen Platz in so einer Klinik waren spätestens im Jahr 2021 lang. Daher wurden zunächst viele Interviewpartner*innen zu einer Reha geschickt, die nicht auf die Rehabilitation von Langzeitfolgen von COVID-19 ausgerichtet war. Manche Interviewpartner*innen wurden in Kliniken für neurologische oder psychosomatische Rehabilitation geschickt, weil der Verdacht bestand, dass ihre Symptome von psychischen Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, herrührten. Viele unserer Interviewteilnehmer*innen, die an Langzeitfolgen der Erkrankung litten, konnten das nicht verstehen. Dies wird noch detaillierter unter Leben mit langanhaltenden Symptomen-Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen beschrieben. Sie erlebten die Rehamaßnahmen häufig als weniger hilfreich, da sie den Eindruck hatten, dass wenig auf ihre Symptome eingegangen wurde und es dort keinen auf sie zugeschnittenen Therapieplan gab. Unsere Interviewpartner*innen berichteten davon, dass sie sich mit dem dortigen Programm überfordert fühlten, auch hatten manche den Eindruck, dass sich ihre Symptome sogar verschlimmerten. Sie hatten das Gefühl, ihnen wurde nicht zugehört und sie wurden nicht ernst genommen. Weil sie keine Besserung in der Rehamaßnahme erlebten, entschieden sich einige unserer Interviewpartner*innen, diese vorzeitig abzubrechen. Auch wenn der Abbruch ihrer Reha Konsequenzen für ihr Krankengeld bedeuten konnte. Andere beantragten nach der psychosomatischen oder neurologischen Reha sofort eine „Long Covid“- Reha.

Die Symptome von Karl Metz wurden während seiner neurologischen Reha schlimmer, daher beantragte er im Anschluss sofort eine Rehamaßnahme in einer Klinik, die sich auf Langzeitfolgen von COVID-19 spezialisiert hatte.

Felicitas Welter beschrieb detailliert ihre Erfahrungen in einer psychosomatischen Reha, in der sich ihre Symptome verschlimmerten und die sie schließlich nach neun Tagen abbrach.

Für einzelne Interviewpartner*innen war die Reha mit einem anderen Fokus als Long COVID trotzdem erholsam. So berichtetet Ruth Großer, wie manche Anwendungen in der psychosomatischen Reha sie überforderten, sie die Zeit aber auch erholsam fand, da sie dort nicht bedrängt wurde. In ihrem Entlassungsbericht stand, dass sie sich bemüht hatte, sie aber körperlich nicht fit war. Dies galt für sie auch nochmal als Bestätigung, dass der Ursprung ihrer Symptome nicht psychosomatisch war.  

Ruth Großer berichtete von ihren Erfahrungen in einer psychosomatischen Reha, die sie als erholsam empfand.

Einige Interviewpartner*innen mit langanhaltenden Symptomen besuchten Rehakliniken, die sich auf Langzeitfolgen von COVID-19 spezialisiert hatten. Dies taten sie zum Teil ambulant oder stationär. Dort fühlten sie sich verstanden und konnten sich auch mit anderen Betroffenen austauschen. Viele Interviewpartner*innen schlossen auch Freundschaften zu anderen Betroffenen, die auch über die Reha hinaus noch Bestand hatten. Auch sich nach der langen Zeit des Lockdowns wieder mit anderen treffen zu können, tat vielen Interviewpartner*innen gut. Darüber hinaus erhielten sie dort auf Long Covid zugeschnittene Therapiepläne und lernten Anwendungen kennen, die ihnen halfen, ihre Symptome zu lindern.

Helen Struch half der Aufenthalt in einer Tagesklinik mit dem Fokus auf naturheilkundliche Verfahren, da sie sich dort verstanden fühlte und dort gelernt hatte, dass sie sich selbst helfen kann.

Karl Metz beschrieb, dass er viel Verständnis für seine Erkrankung in der Rehaklinik bekam, welche Anwendungen er genutzt hatte und welche ihm halfen.

Nicole Dachner ging in der ergotherapeutischen Anwendung während ihrer Reha auf und hatte mit großer Begeisterung und Anstrengung ein Holzbänkchen produziert.

Nicht alle Anwendungen oder Therapiearten, die in den Rehakliniken angeboten wurden, taten den Interviewten gut, sie konnten diese aber auch jederzeit abbrechen. Als Beispiel fiel Karl Metz die Teilnahme an den Gesprächsgruppen besonders schwer, da ihn das Zuhören sehr anstrengte und er Kopfschmerzen bekam. Daher musste er auch mal diese Gruppe vorzeitig verlassen, dies wurde aber vor Ort auch akzeptiert. Helen Struch hatte zum Beispiel Probleme mit dem Essen vor Ort und bekam Darmprobleme. Daher musste sie vor Ort genau schauen, was sie essen konnte.

Den Interviewpartner*innen fiel in den spezialisierten Rehakliniken auf, dass das Long Covid-Rehakonzept sich zum Teil in einigen Kliniken noch in der Entwicklung befand und dass manches noch verbesserungswürdig war. So schlug Karl Metz zum Beispiel vor, dass die Patient*innen in den Rehakliniken noch enger betreut werden sollten und man als Patient mehr in die Planung ihrer Reha miteinbezogen werden sollte, um diese auch mitzugestalten.    

Karl Metz beschrieb seinen patientenorientierten Ansatz zur Verbesserung des Rehakonzeptes für Long Covid.

Die Fortschritte unserer Interviewpartner*innen während der Reha waren ganz unterschiedlich. Manchmal erlebten sie eine Verbesserung der Symptome zum Ende der Reha, manchmal nicht. Die Mehrheit wurde als nicht arbeitsfähig entlassen. In der Reha hatten sie aber Methoden erlernt, wie sie mit ihren Symptomen im Alltag besser umgehen können. Dabei galt es auch als besonders wichtig, auf den eigenen Körper zu hören, seine Grenzen zu erkennen sowie zu akzeptieren und sein eigenes Tempo im Alltag zu finden.

Helen Struch wurde als arbeitsunfähig mit Einschätzung auf Wiedereingliederung aus der Reha entlassen, aber das war für sie zu dieser Zeit noch undenkbar.

Karl Metz lernte sich beim Sport nicht zu übernehmen und seine Grenzen zu akzeptieren, dabei haben ihm vor allem auch Gruppengespräche geholfen.

Weitere Erfahrungsberichte über die Reha allgemein finden Sie in unserem Erfahrungsbereich zur medizinischen Reha.