Anderen von der Infektion erzählen

Unsere Interviewpartner*innen, die sich in den ersten zwei Jahren (2020/2021) der Pandemie infizierten, berichteten davon, dass sie im engsten Freundes- und Familienkreis sehr offen mit dem positiven Testergebnis umgingen. Sie informierten ihre Kontaktpersonen, um weitere Ansteckungen zu verhindern. Sie erzählten davon, dass sie sich verantwortlich fühlten, ihre Familien, ihren Freundeskreis und ihre Kolleg*innen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Einige warteten auf ihr Testergebnis, bevor sie andere informierten, andere erzählten, dass sie schon mit ihrem Umfeld über eine mögliche Infektion sprachen, als sie erste Symptome bemerkten.

Frida Gold erzählte, wie sie im Oktober 2020 ihre Kund*innen über eine mögliche COVID-Erkrankung informierte, die kurze Zeit vorher noch ihren Salon aufsuchten.

Tobias Egger hatte im April 2021 sofort seine Ehefrau über sein positives Testergebnis informiert, die im medizinischen Sektor tätig war.

Die Erfahrungen unserer Interviewpartner*innen unterschieden sich, je nachdem, wann sie sich infizierten. So berichteten einige unserer Interviewpartner*innen, dass sie die Ersten in ihrem Umfeld waren, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten. Sie beschrieben, wie ihnen auf verschiedenste Weise eine Sonderrolle zukam. So beschrieb Laurenz Lange, wie sein Umfeld sehr interessiert an dem Verlauf seiner COVID-19 Erkrankung war. Seine Erfahrungen, so merkte er an, dienten seinem Umfeld als Informationsquelle über das Neue, worüber überall berichtet wurde. Zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020, war eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für viele Menschen gedanklich noch weit weg. So erzählte Charlotte Peters, dass ihre Infektion die Erkrankung in ihrem Umfeld plötzlich greifbarer machte und so manchen Zweifler zum Umdenken brachte. Juliane Böhm berichtete, wie sie in ihrem beruflichen Umfeld im medizinischen Sektor Neid erlebte, da sie „es hinter sich hatte“. Juliane Böhm und Laurenz Lange erlebten ebenfalls beide, dass die Menschen im Umgang mit ihnen weniger Angst hatten und Schutzmaßnahmen, wie z.B. Abstand halten, im Umgang mit ihnen etwas vernachlässigten.

Laurenz Lange beschrieb, wie spannend seine Erfahrungen während der COVID-19 Erkrankung im März 2020 für sein Umfeld waren und ihm eine Sonderrolle zukam.

Charlotte Peters war die Erste aus ihrem Freundeskreis, die sich im September 2020 mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte und dies machte eine mögliche Infektion für ihr engstes Umfeld plötzlich greifbarer.

Juliane Böhm fühlte sich nach überstandener Erkrankung im März 2020 ein bisschen besonders und bemerkte, dass ihre Kolleg*innen neidisch waren.

Unsere Interviewpartner*innen erzählten uns von sehr unterschiedlichen Reaktionen im privaten und beruflichen Umfeld. In den Erzählungen wurde deutlich, wie Freunde, Familie, Kolleg*innen und Arbeitgeber*innen meist mitfühlend und verständnisvoll reagierten, manchmal aber auch überrascht und erschrocken oder geschockt. Unsere Interviewpartner*innen beschrieben, wie sie von ihrem engsten Umkreis auch während des Zeitraums der Isolation unterstützt wurden.

Anna Schwenke-Korac infizierte sich im Dezember 2020 mit dem Coronavirus und ihre Eltern sorgten sich um sie.

Corinna Walkenhorst infizierte sich im Februar 2022 und teilte dies ihrem Bekannten mit, mit dem sie noch kurze Zeit zuvor zusammengesessen hatte. Dieser fühlte sich aber aufgrund der Impfung sicher.

Lea Anton erzählte, wie sich ihr Umfeld um sie sorgte, als sie im Dezember 2020 an COVID-19 erkrankte.

In den Interviews wurde auch vereinzelt davon erzählt, wie unsere Interviewteilnehmer*innen selbst von den Reaktionen aus ihrem engsten Umfeld auf ihre eigene Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 irritiert waren. Sie berichteten, dass andere ihre Infektion in einem größeren Kreis bekannt machten. Dies passierte manchmal im Arbeitsumfeld, manchmal im privaten Kreis, über soziale Medien oder E-Mail-Verteiler. Dabei betonten viele in den Interviews, dass eine Veröffentlichung der Infektion im größeren Rahmen, wie z.B. in den sozialen Medien, für sie nicht infrage kam. So auch für Nicole Dachner, die selbst entscheiden wollte, wem sie von der COVID-19 Erkrankung erzählte und wem nicht. Daher war sie sehr verärgert, als ihre Schwester den Krankenstatus auf einer Internetplattform postete.

Die Schwester von Nicole Dachner postete ihren Krankenstatus auf einer Internetplattform.

Im September 2020 informierte Charlotte Peters ihren Arbeitgeber über ihre COVID-19 Erkrankung. Ein paar Tage später schrieb die Arbeitgeberin von Charlotte Peters an das gesamte Kollegium eine E-Mail und informierte unter anderem alle darüber, dass sie sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert hatte. Charlotte Peters fühlte sich im ersten Moment an den Pranger gestellt und konnte nicht verstehen, warum ihr Arbeitgeberin das gemacht hatte. Ihre Kolleg*innen reagierten aber sehr mitfühlend und verständnisvoll, sodass es für sie nicht so schlimm war. Charlotte Peters erzählte, dass ihre Arbeitgeberin dies später damit begründete, dass sie unnötiges Gerede vermeiden wollte. 

Charlotte Peters wurde namentlich dem gesamten Kollegium als COVID-19 erkrankt genannt.

In ihrem Interview erzählte Jana Frisch, wie sie sich im März 2020 mit dem SARS-CoV-2 Virus infizierte, kurz nachdem sie sich mit einigen Freunden persönlich getroffen hatte. Als sie ihre Freunde über ihre Infektion informierte, reagierten diese mit Vorwürfen.

Jana Frisch beschrieb, wie sie im März 2020 mit Vorwürfen aus ihrem Freundeskreis umgegangen war.

Nils Ziegler berichtete davon, dass es ihm unangenehm war, seinen Kontaktpersonen seine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mitzuteilen und dass diese in seiner Familie eine Kontroverse ausgelöst hatte.