Nicole Bissinger findet, dass die sexuelle Unlust durch die Hormontherapie ein brutaler Einschnitt im Leben ist.

Man kann ja immer noch denken, das ist nur eine begrenzte Zeit, das löst sich ja dann wieder auf.

Was denn?

Also zum Beispiel, dass Sie jetzt auch keine sexuelle Lust mehr haben.

Ja, aber da geht so viel kaputt, weil das so eine lange Zeit ist. Das ist ja nicht zwei Wochen oder zwei Monate, sondern das ist ja über zwei Jahre gewesen. Und da ist nichts mehr zu kitten gewesen bei uns. Ich verstehe das ja, dass der dann letztendlich gegangen ist. Wobei bei uns auch andere Sachen vorgeherrscht haben, also ich glaube, das war nicht der Hauptgrund, aber es war mit auf jeden Fall ein Faktor, dass der natürlich gedacht hat: Ja was soll mich denn an der noch halten. Wir haben so viel gestritten und der hat ja gar keine Motivation gehabt, weil ins Bett bin ich auch nicht mit ihm gegangen, aufgrund dieser Medikamente.
Also die legen einen echt lahm, das ist so und nicht nur mich, sondern jede Frau, die das kriegt, das muss man sich vorstellen. Das ist der Einschnitt ins Leben.Das ist brutal, das ist echt brutal und zwar nicht nur für mich, sondern für den Partner auch. Und wenn du dann so ein Eisklotz neben dir die ganze Zeit hast- ich mein, dass man dann irgendwann selber an sich auch zweifelt als Mann, weil man kann das sich nicht vorstellen, dass das so lang so, so, so, so schlecht läuft, sage ich einmal.

Hat Ihnen das ein Arzt vorher gesagt?

Natürlich nicht, nein. Und das war auch was, wo ich ganz arg große Sorgen gehabt habe vor der Hormontherapie. Weil Hormone, das ist ja so etwas diffiziles, wenn man da eingreift, welche Auswirkungen das hat, das gibt es ja gar nicht. Also nicht nur psychisch, sondern richtig körperliche Auswirkungen hat das, da verändert sich ja auch so viel. Ich habe schon am Anfang Angst gehabt, dass ich einen Schnurrbart kriege, von dem Ganzen, weil die ja alles Weibliche kaputt machen wollen. Das ist doch schrecklich, oder nicht?

Auf jeden Fall müsste es bekannt sein, damit man sich einrichten kann.

So ist es aber nicht. Und dann reden ja viele auch gar nicht darüber, die wollen ja gar nicht. Da kommst du dir ja blöd vor: "Du, ich habe keine Lust mehr auf Sex oder das geht nicht mehr." Da zweifelt man ja gleich an sich. Oder dann haben auch Frauen vielleicht Angst, dass die anderen meinen könnten, man wäre frigide oder so etwas, das ist aber gar nicht so. Das ist ausgeschaltet, das gibt es nicht. Das ist nicht so: Ach jetzt habe ich keine Lust auf Sex. Das ist nicht so. Es ist weg, es existiert nicht mehr, das ist etwas komplett anderes, das kann sich jemand normal, der keine Medikamente nimmt, nicht vorstellen.
Jeder hat einmal keine Lust, klar. Die einen haben häufiger keine Lust, als die anderen, aber dass es einfach nicht mehr existiert- das hat für mich- ja, weg war das. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Oder das einen niemand mehr in den Arm nehmen muss oder einem den Rücken streicheln muss oder einmal ein Küsschen oder so etwas. Man muss ja nicht immer gleich an Sex denken, aber das ist weg, das will man nicht mehr.
Und dass das für einen anderen schrecklich ist. Und für mich war es natürlich auch schrecklich, ich sage immer, dass es für den anderen schrecklich ist- ich meine, ich habe es ja nehmen müssen. Für uns ist es ja am aller, allerschlimmsten eigentlich, weil man sich dann auch noch entschuldigen muss für irgendetwas, wofür man gar nichts kann.