Für Christiane Wiedemann haben die Schmerzen zu viel Umdenken und Veränderung bezüglich ihres Perfektionismus geführt.

Genau, ja. Und was erstaunlich war, für mich auch rauszukriegen, dass manchmal kleine Veränderungen vom Ablauf im Alltag enorme Wirkung haben. Das fängt damit an den Druck zu nehmen, immer einen perfekten Haushalt zu haben. Das ist gar nicht schlimm, wenn man nur alle drei Tage staubsaugt zum Beispiel. Kommt auch keiner, der staubsaugt. Aber  das machen wir ja mit uns selber aus. Also ich bin noch so groß geworden mit "Das gehört sich nicht". Und dann denke ich mir, oh Gott, oh Gott, also bei dir sieht das wieder aus. Und diesen Druck rauszunehmen, perfekt zu sein, das ist für einen selber ja sehr komisch. Und wenn man das ein, zwei Mal gemacht hat und merkt, das ist gar nicht komisch, da passiert auch nichts. Und das kann man in kleinen Sachen ausprobieren und dann muss man selber über sich schmunzeln. Und umso öfter man solche Sachen macht, umso mehr befreit es und umso mehr geht es einem gut. Und dann traut man sich wieder, viel größere Sachen zu machen. Das fängt an mit: "Ich sauge nicht mehr jeden Tag Staub, sondern nur noch alle drei Tage." Und das endet bei Ich gehe auch mal zu einem Konzert, weil ich glaube, ach, es ist schönes Wetter, ich mag den Flair draußen oder so. Die Musik kenne ich nicht, aber ich mach einfach mal. Und dann stellt man fest, ey, das war richtig gut. Ich habe nette Gespräche gehabt. Und so geht es eben immer ein Stück weiter. Und das ist  zumindest bei mir ein neues Denken, einfach mal ausprobieren und was kann Schlechteres passieren, als dass ich da nicht noch mal hingehe. Weil ich denke, oh Gott, nein. Das war jetzt wirklich schräg. Und alles, was uns gut tut, tut auch den Schmerzen gut. Und das ist auch so ein Punkt für mich,  wo ich wirklich auch festgestellt habe: Umso mehr ich für mich selber sorge, umso weniger Probleme habe ich auch. Dass das Zeit kostet und dass das im Kopf auch eine Riesenveränderung ist, das kommt dazu. Aber für mich war so ein springender Punkt: Umso mehr ich mich selber ernst nehme und mehr einfordere oder mache, was viel auch mit Ruhe zu tun hat im Moment, umso besser geht es mir eigentlich. Heißt aber wieder, dass der Kopf und die Schmerzen schon irgendwie zusammenhängen und unser Perfektionismus uns da ganz schön ärgert. An vielen Stellen, ja. Ich glaube, der große Punkt ist einfach auch, diese Muster zu kennen. Weil wenn ich weiß, wie ich denke, dann kann ich mich entscheiden, dass ich dann sage: "Nein, nein, also heute will ich mal nicht perfekt sein, sondern mir ist das Nicht-Staubsaugen mehr wert, weil ich brauche die Couch." Wenn ich diese Muster aber nicht kenne, dann sauge ich Staub, bevor ich mich hinlege. Mir selber hat dieses "Wie-denke-ich-eigentlich" mehr die Möglichkeit gegeben, zu entscheiden. Und so, wie ich eine Entscheidung habe, habe ich eine Wahl. Und wenn ich eine Wahl habe und entscheide mich bewusst für eine Sache, die mir im Moment zwar nicht gut tut, aber ich weiß, wenn ich meine Wohnung sauber habe, werde ich ruhiger, und dann kann ich mich richtig hinlegen, als wenn ich weiß, das funktioniert bei mir nicht. Wenn ich jetzt weiß, ich sollte mich hinlegen, lege mich hin und im Kopf geht aber immer nur rum: "Du kannst dich gar nicht entspannen." Ja, dann sollte ich auch vorher Staub saugen. Also das bringt dann nichts. Aber so, wie ich eine Wahl habe, kann ich mich bewusst für irgendwas entscheiden. Und das hat mir eigentlich unheimlich geholfen, dieses "Wie-denke-ich-eigentlich". Und das war mir nicht bewusst, dass ich ein irres Verantwortungsgefühl für ganz viele habe, nur nicht für mich. Ich war immer die Letzte, um die ich mich gekümmert habe. Und hätte mich vorher einer gefragt, hätte ich das immer abgelehnt und habe gesagt: "Nein, nein, also ich bin ja schon ewig Schmerzpatient, also klar." Aber das war nur die Theorie. Genau.