Martin Sander berichtet von sehr schlechten Erfahrungen mit fachlich nicht einschlägigen Gutachtern.

Die Negativerfahrung ist hauptsächlich die, dass ich ja auch versuche, aufgrund meiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit auch eine Erwerbsminderung zu erreichen. Und da muss ich sagen, das ist schon verachtend, wie Gutachter - denen ich gerne das Wort, das würde ich gern aus dem Duden streichen, für den ein oder anderen, und würde das durch Schlechtachter ersetzen. Denn das was sich die Herren teilweise erlauben, ist, muss man sagen, unter aller Sau. Da gibt es keinen anderen Ausdruck. Das ist eine bodenlose Unverschämtheit, was mit Patienten dort geschieht.

Ich habe das immer nur gehört von vielen Leuten, und wenn du das dann einmal selbst erfährst, wie so was abläuft, dann muss man echt sagen: armes Deutschland, armes Gesundheitssystem. Es kann nicht sein, dass aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten im Rentensystem, irgendwie habe ich so den Eindruck, darauf hingewirkt wird, dass da die Leute mürbe gemacht werden. Ja, das geht über Jahre und du machst einen Einspruch gegen den nächsten wieder und dann kommt ein neuer Gutachter. Das wird dann- innerhalb kürzester Zeit wird das allgemein behandelt, aber gar nicht explizit auf die Krankheit. Und das ist nicht ein Einzelfall. Ja, das ist jetzt, ich habe das in meinem Fall jetzt erlebt und kann es jetzt eins zu eins umsetzen mit den Fällen, die mir bekannt sind. Und das sind sehr, sehr viele. Durch meine Tätigkeit, als Leiter der [Ortsgruppe], hier der Selbsthilfegruppe, sprechen wir ja tagtäglich über solche Problematiken. Und das ist, muss ich sagen, da habe ich absolut negative Erfahrungen gemacht, in jeder Hinsicht, bisher.

Können Sie mal da konkret schildern, was Ihnen da widerfahren ist?

Ja, also beim ersten Gutachten war es so: man muss jetzt überlegen, ich habe zwar eine internistische Erkrankung, die aber auf den Bereich Phlebologie ausgerichtet ist. Man schickt mich zu einem Gastro-Enterologen, also einem Facharzt für Magen-Darm-Erkrankungen. Das Gutachten ging, der hat mich fünf Minuten gesehen, ich war eine viertel Stunde da, ich habe fünf Minuten mit ihm erzählt. Der hat dann kurz mein Bein angeguckt, sagt er, er kann aufgrund des Strumpfes ja eh nichts jetzt sehen. Okay. Ansonsten hat er ja Unterlagen. Ist in Ordnung. Dann konnte ich wieder gehen.

Das war das Gutachten eins. Dementsprechend kam natürlich auch nur Unsinn raus. Gutachten zwei war dann ein Orthopäde, der festgestellt hat, dass aufgrund der Fehlhaltung natürlich einiges da ist und dass eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit da ist. So, das war okay, aber das ist nicht das Hauptausschlaggebende. Dann hat mich zum Psychiater geschickt. Der Psychiater sagte zu mir: „Guten Tag, Herr Kollege, ich weiß gar nicht, was Sie bei mir wollen.“ Dann sage ich: „Ich weiß es auch nicht. Jetzt sind wir schon zu zweit.“ Dann haben wir uns nett unterhalten, das war okay. Gut. Dann kam ich aufgrund der Intervention meiner Anwältin- das ging ja alles zeitfaktormäßig, kam ich dann zu einem Professor der Schmerztherapie. Ich möchte den Namen jetzt nicht nennen.

Das Gutachten ging auch ganz toll. Er hat mir erstmal- die Hälfte seiner gutachterlichen Tätigkeit war, dass er mir erzählt hat, was er alles an Gutachten machen muss und wie schlimm das ist. Und dann hat er mir seine Aktenberge gezeigt und dass er sogar Obergutachter ist und dass ihn das alles eigentlich annervt und er schon gar nicht mehr durchblickt. Dann hat er mir ein paar Fragen gestellt und hat gesagt, ja, er guckt mal. Und dann kam ein Gutachten raus, in dem quasi drin steht, ich bin ein Simulant, meine Schmerzärztin hat keine Ahnung. Natürlich höflich und medizinisch umschrieben. Ja, und dann fühlt man sich natürlich nicht für voll genommen. Und auch die Ärzte, die einen behandeln schütteln nur den Kopf.

So, dann kam wieder der Einspruch. Ja, dann schickte man mich wieder- dann kam ich zu einem neuen internistischen Gutachten, zum Chefarzt der Kardiologie. Das war jetzt erst vor ein paar Wochen. Das Gutachten hat aber nicht der Chefarzt gemacht, sondern das war der Assistenzarzt. Den Chefarzt sah ich nie. Die haben natürlich festgestellt, internistisch geht es mir ganz gut. Ich habe ja, wie gesagt nichts. Beiläufig stellte man noch fest, dass eine Herzklappe nicht ganz schließt. Okay. Das sind so beiläufige Befunde. Da müssen wir mal abwarten, wie sich das entwickelt in den nächsten Jahren. Das macht mir jetzt aber weder Angst, noch sonst noch was. Nur das Gutachten kam dann auch heraus, ja, ich hätte nichts.

Dann haben wir wieder einen Einspruch gemacht und haben das natürlich kritisiert, dass der Professor nicht da war, der ja eigentlich das machen sollte. Dann musste ich ja wieder zum Herrn Professor, aufgrund Anordnung des Gerichtes. Der gleich sagte in der Tür, ja, warum es nicht geklappt hat, weiß er auch nicht, er hatte wahrscheinlich viel zu tun, deshalb muss er mich noch einmal sehen, aber es ändert an dem Gutachten nichts. Und nach fünf Minuten im Gespräch sagte er, ja wenn ich Sie so sehe, ändert es an meinem Gutachten sowieso nichts. Dann sehe ich, dass das Gutachten richtig ist. Ich habe ihm natürlich gesagt, dass ich nicht mit einverstanden bin und dass er kein Facharzt oder Fachmann ist für Schmerztherapie aufgrund einer Venenerkrankung.

Ja, das sieht er nicht so. Er kann das alles gut beurteilen. Ich möchte den Mann- der mag ein super- der hat auch einen guten Ruf als Kardiologe, aber es tut mir leid, er ist für dieses Fachgebiet einfach nicht geeignet. Und das sind solche Sachen, die nicht nur mich betreffen, viele Leute betreffen. Die dann von Gutachter zu Gutachter geschleppt werden, wo nichts raus kommt. Und dann ist man natürlich angefressen.