Beruf und Ende der Arbeitstätigkeit

Wir sprachen mit Männern, die zum Zeitpunkt der Prostatakrebsdiagnose bereits im Ruhestand waren, wir hatten aber auch Gesprächspartner, die zum Zeitpunkt des Interviews noch arbeiteten oder die erst aufgrund ihrer Prostatakrebsdiagnose in den (Vor-)Ruhestand eingetreten sind.

Für diejenigen, die zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch arbeiteten, war dies häufig eine Zeit des Innehaltens und Nachdenkens darüber, welche Schwerpunkte sie in ihrem weiteren Leben setzen wollten (Diagnosemitteilung).

Alexander Huetzing ist einfach aus seinem Beruf ausgestiegen und hat seinen Lebensplan geändert.

Dies führte bei vielen unserer Gesprächspartner auch dazu, dass sie, nachdem sie die Diagnose erhielten, ihre Berufstätigkeit beendeten. Viele unserer Interviewpartner nutzten die Möglichkeit, die Prostatakrebspatienten aufgrund ihrer Anerkennung als „Schwerbehinderte“ zusteht, sich frühzeitig berenten zu lassen (Finanzen, Krankenkasse und Schwerbehindertenausweis). Einige der Männer dachten schon vor der Krebserkrankung darüber nach, mit dem Arbeiten aufzuhören, auch weil sie zum Teil in stressigen Berufen tätig waren oder einfach ihrem Alter entsprechend genug gearbeitet hatten. Manchen schlug auch ihr Arbeitgeber vor, als sie ihn über ihre Erkrankung in Kenntnis setzten, in Ruhestand/Pension zu gehen, was viele nutzten. Anderen wiederum war es verwehrt, diese Möglichkeit auszunutzen. Sie fühlten sich noch im Beruf gebraucht oder hatten Angst vor finanziellen Verlusten, die ein Berufsausstieg mit sich bringen kann.

Thomas Lange ärgert es, dass er noch weiterarbeiten muss, ist aber letztlich froh, arbeitsfähig zu sein.

Helmut Wurm musste trotz der Therapien seiner Arbeit nachgehen, wobei ihn Kollegen unterstützten.

Viele Männer berichten, dass der Ausstieg aus dem beruflichen Alltag für sie eine Entlastung darstellte. Sie konnten mehr Hoheit und Kontrolle über ihr eigenes Tun erlangen, um Zeit und Kraft für Behandlungen sowie zur Erholung zu haben. Einige ließen sich anfangs länger krankschreiben, um sich gezielt um ihre Gesundheit zu kümmern oder nahmen eine Auszeit. Nicht mehr arbeiten gehen zu müssen, wird von vielen auch als Lebensqualität gesehen, da sie keinen Zwängen mehr unterliegen. Alfred Brandt schätzt seinen Mittagsschlaf sehr und sofern die Kinder versorgt sind, sei dieser Lebensabschnitt zum Genießen da, so Dieter Bauer.

Einige Interviewpartner fragten sich, was werden wird, wenn ihre Arbeitstätigkeit enden wird. Sie äußern, dass sie befürchten, sich nicht mehr gebraucht zu fühlen. Viele suchten deshalb nach Ende ihrer Arbeitstätigkeit nach etwas Sinnvollem, um das drohende „Loch“ zu umgehen. Manche gingen ihren Hobbys nach oder unternahmen Reise, andere nutzten die Zeit, um verstärkt für andere da zu sein. Einige suchten Aktivitäten, um geistig im Alter fit zu bleiben, viele Männer übernahmen ein Ehrenamt, z.B. beim Theater oder in der Selbsthilfearbeit. Auch viele andere Erzähler waren durch die Organisation von Vorträgen und Veranstaltungen im Rahmen der Selbsthilfegruppe voll eingebunden und bezeichnen es als neuen „Full-time“ Job (Selbsthilfegruppen), der ihnen eine neue Perspektive gab.

Alexander Huetzing schlug durch sein Ehrenamt ein neues Kapitel in seinem Leben auf.

Für andere war die Arbeit, solange keine Schmerzen auftraten, eine Möglichkeit der Ablenkung. Manche arbeiteten auch bis zum letzten Tag, um nicht permanent an den Krebs denken zu müssen. Einige äußern die Sorge, durch den Krebs nicht mehr wie vorher in ihrem Arbeitsumfeld zu funktionieren und wahrgenommen zu werden. Sie dachten, dass sie nicht mehr voll belastbar seien und „ausgemustert“ würden. Einige äußern im Interview ihre Sorgen darüber, dass ihre Kolleg*innen Arbeit übernehmen müssten oder zu viel Rücksicht nehmen würden. Für manche unserer Interviewpartner funktionierte die Rückkehr an ihren alten Arbeitsplatz reibungslos, was sie zufrieden machte und manchen auch wieder Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit schenkte.

Christian Lorenz versuchte weiterzuarbeiten, solange keine schweren Symptome auftraten.

Thomas Lange will bei der Arbeit gebraucht werden und möchte nicht, dass man extra Rücksicht auf ihn nimmt.

Peter Engel arbeitete weiter, was ihm Spaß machte, aber dennoch belastend gewesen sei.

Alfred Brandt ging für ein Jahr zurück in seinen Beruf, was ihm Auftrieb gab.

Kolleg*innen und Vorgesetzte

Einige erzählten bewusst zu Beginn ihrer Erkrankung am Arbeitsplatz nichts daüber, andere informierten nur wenige Kolleg*innenen oder nur Vorgesetzte. Manche seien auch völlig offen damit umgegangen, wie Rolf Fuchs, der es auch jedem empfehlen würde, andere haben nur allgemein von einem Gesundheitsproblem erzählt, weil sie kein Mitleid oder Schonung wollten.

Für Christian Lorenz war es entlastend, sich nur wenigen Kolleg*innen anzuvertrauen.

Michael Albrecht fragte sich, wie er damit im Beruf umgehen soll und ist froh, dass er völlig offen war.

Thomas Lange ging völlig offen damit um und nutzt sein Wissen auch gegenüber seinen Patienten.

Nicht alle konnten ihre Krankheit geheim halten und sprechen in diesem Zusammenhang teilweise von negativen Erfahrungen. Sie seien verzweifelt gewesen, das Gefühl zu haben, dass andere nicht verstehen, was sie durchmachen müssen.

Georg Sommers Kolleg*innen machten Bemerkungen, die ihn sehr verletzten.

Doch viele bekamen auch Unterstützung und Zuspruch von ihren Kolleg*innen, wobei manche die Besuche und Geschenke für übertrieben hielten. Der Umgang der Kolleg*innen mit der eigenen Person hat nicht allen gefallen. Einige wollten kein Mitleid oder fühlten sich in ihrer neuen Rolle nicht wohl, andere wurden durch die Reaktionen überrascht.

Alexander Huetzings Chef reagierte klasse, von Kolleg*innen wurde er tief enttäuscht.

Die Kolleg*innen von Thomas Lange haben ihn und seine Erkrankung als Beispiel genommen, wogegen er sich wehrte.