Holger Ziegler nahm die Rente den gesellschaftlichen Druck funktionieren zu müssen.

Und da ist eigentlich immer diese Frage, ob ich einen schwerkranken Menschen, der eine kaputte Wirbelsäule hat, in die Reha schicke und sage: "Jetzt sind Sie ja wieder arbeitsfähig." Denn Reha bedeutet ja nichts anderes, als wieder arbeitsfähig zu werden. Den Weg  der Kur, den gibt es ja heutzutage ja nicht mehr. Ich glaube, es gibt zwar noch so Einrichtungen und auch eine Kur, aber man spricht immer nur von Reha, man muss wieder arbeitsfähig gemacht werden. Also eigentlich ist, glaube ich, so generell ein Problem im Gesundheitssystem, dass man immer diesen Zwang hat, jemanden wieder arbeitsfähig zu machen. Solange ich nicht in der Lage bin, 8 Stunden zur Arbeit zu gehen, nutzt mir auch eine Reha nicht, dass ich vielleicht nur 6 Stunden arbeiten kann. Weil da geht es mir genauso schlecht, als wenn ich 8 Stunden gehe. Also das ist nicht so einfach. Ne, also da ist so der Kreislauf eigentlich. Man muss immer 100 Prozent funktionieren. Mir wurde mal erklärt, dass meine 100 Prozent nur noch bei 50 Prozent liegen und nicht mehr ganz oben bei 100 Prozent, sondern da unten sind meine 100 Prozent. Es ist ja variabel sozusagen. Mal sind es 60 oder 70 Prozent, die man leisten kann, mal sind es halt bloß 30 Prozent. Und das muss man erstmal als chronischer Schmerzpatient verstehen. Das ist eigentlich das Hauptproblem, das man immer wieder hat. "Jetzt muss ich wieder erklären, warum ich kurz nichts machen konnte." Das habe ich immer damals gemacht, mich erklärt, warum konnte ich heute nichts machen? Ja, ich habe nur noch Schmerzen. Aber das ist ja Quatsch. Das wissen die alle. Alle, die mich kennen, wissen das, dass ich chronische Schmerzen habe. Da muss ich das nicht jeden Tag erzählen. Ja, also wenn man sich immer da reinsteigert, "du bist ja nichts mehr wert", das ist ja nichts, ist ja Quatsch. Man ist zwar nicht mehr 100 Prozent wert, aber man hat ja trotzdem eine Wertigkeit für sich und auch für die anderen, die man liebt.