Psychologische Angebote

Aufgabe einer Rehabilitation ist nicht nur eine Verbesserung oder Wiederherstellung der körperlichen Befindlichkeit, sondern auch die psychische und alltagspraktische Anpassung an die Lebenssituation nach oder mit der Erkrankung. Fast alle Interviewpartner berichteten, dass ihnen in der Reha hierfür psychologische Gespräche, Gesprächsgruppen oder andere Formen einer psychologischen Betreuung angeboten wurden. Oft geschah dies schon mittels eines Fragebogens vor Reha-Beginn oder beim Aufnahmegespräch. Für einige war dies die erste Erfahrung damit, über die psychischen und alltäglichen Folgen ihrer Erkrankung sprechen zu können.

Claudia Gross sah zunächst keinen Sinn in psychologischen Gesprächen, fand sie dann aber sehr hilfreich, um eine neue Sichtweise zu bekommen.

Britta Eyfried erzählt, dass das Thema Krankheitsbewältigung für sie in jeder Reha eine Rolle spielte.

 

Viele Erzähler berichten, dass sie zunächst skeptisch waren, ob sie sich in den Gesprächen oder Gruppensitzungen öffnen könnten. Sie waren dann meist überrascht, wie schnell das ging und wie sehr sie davon profitieren konnten. Sie erlebten, dass sie den Therapeuten auf Augenhöhe gegenübertreten konnten, dass ihnen intensiv zugehört wurde und dass sie einen anderen Blick auf ihre persönlichen Probleme vermittelt bekamen. Für manche waren die neu gewonnenen Erkenntnisse und Freiräume im Umgang mit der Krankheit der wichtigste Gewinn ihrer Reha-Maßnahme.

Claudia Frohwein fand schon im ersten Gespräch Vertrauen zu ihrer Ärztin.

Sven Winkler erfuhr erstmals, dass er Panikattacken hat und wie er damit umgehen kann.

Pauline Blume hält psychologische Hilfe für wichtig, weil man sich einem Fremden besser öffnen kann.

 

In den psychosomatischen Reha-Einrichtungen standen die psychologischen Angebote in vielfältigen Formen im Mittelpunkt und nahmen den überwiegenden Teil der Therapie ein. Aber auch in den Reha-Einrichtungen mit dem Hauptziel einer körperlichen Rehabilitation fanden Einzel- oder Gruppengespräche, Kurse mit den unterschiedlichsten psychotherapeutischen Verfahren oder auch Vorträge zu psychologischen Themen statt. Diese Angebote konnten ein offenes, allgemeines Gesprächsangebot beinhalten oder auf bestimmte Themen wie Krankheits- und Alltagsbewältigung, Trauer, Umgang mit Schmerz oder mit familiären Problemen und Arbeitsplatzkonflikten abzielen. Viele nahmen Angebote zur Stressbewältigung und Entspannung oder auch Meditationsübungen wahr. In den neurologischen Reha-Einrichtungen wurden auch computergestützte Diagnostik und Trainingsprogramme für Gedächtnis- und Konzentrationstraining angeboten. In einigen Kliniken gab es Kurse zur Selbststeuerung und Lebensführung nach der Erkrankung. Meist wurde mit den Therapeuten abgesprochen, welche Gruppe besucht werden sollte; manchmal wurde man aber auch zugewiesen und sollte sich den Erfahrungen aussetzen. Katja Scholz erzählt, wie ihre Therapeutin ihr gesagt habe, dass das, wogegen man sich am meisten sperre, oft das sei, was einem am meisten helfe; dies konnte sie bestätigen.

Andere lehnten solche Angebote ab, da sie für sich keinen Bedarf nach Gesprächen sahen und sich stabil fühlten oder früher schlechte Erfahrungen damit gemacht hatten.

Dorothee Funk fand, dass ihr das Gesprächsangebot nicht helfen konnte, weil sie keine psychischen Probleme hatte.

 

Manche Erzähler mussten sich selbst bemühen oder gar kämpfen, um eine psychologische Betreuung zu bekommen. Einige fanden die psychologischen Angebote in ihrer Klinik sehr dürftig, von zu geringer Kapazität oder qualitativ schlecht und nicht ernst zu nehmen. Peter Book war der Meinung, dass man diese Ansätze noch viel mehr intensivieren und auch auf die Zeit nach der Reha ausdehnen müsste. Wolfgang Krimmel musste feststellen, dass in seiner Klinik die Psychologenstelle noch nicht besetzt war und fand es sehr ärgerlich, dass diese wichtige Seite der Rehabilitation für ihn ausfiel.

Andrea Schäfer konnte erfolgreich um therapeutische Gespräche kämpfen und fand, dass sie ihr gut taten.

Norbert Merkle fand das psychotherapeutische Angebot zu gering und zu schlecht gestaltet, um einen Nutzen davon mitzunehmen.

 

Die therapeutische Arbeit in den Gruppen war für viele unserer Interviewpartner eine beeindruckende Erfahrung, auch wenn manchmal der Einstieg nicht leicht war. Britta Eyfried fühlte sich in der Gruppe „geschützt wie in einem Kokon“, in dem sie ihren seelischen Nöten Raum geben konnte.

Julia Bach erzählt, wie sie anfangs zögerte, ihre Themen in eine Gruppe zu bringen, dann aber die Gemeinschaft sehr stark fand und offen reden konnte.

Mara Schnaiter fand in der Gruppe rasch viele Menschen, zu denen sie eine herzliche Verbindung aufbauen konnte.

Oliver Schmittke erfuhr in der Gruppentherapie von anderen Schicksalen und fand es schön, wie zusammen gelacht und geweint wurde.

 

Unsere Gesprächspartner, die in psychosomatischen Reha-Einrichtungen waren, fanden es besonders beeindruckend und hilfreich, wie immer alle Therapeuten darüber informiert waren, was bei den einzelnen Patienten gerade wichtig und an psychologischen Prozessen im Gange war. So konnten die therapeutischen Maßnahmen ineinander greifen.

Viele Erzähler berichten von interessanten Anregungen, Erkenntnissen, praktischen Tipps und Erfahrungen in den Gesprächen oder Gruppen. Marina Horvat erzählt, wie sie durch die Psychotherapie lernte, freundlicher mit sich selbst umzugehen und sich auch helfen zu lassen. Für Mara Schnaiter war es wichtig zu lernen, dass sie sich nicht immer für andere verantwortlich fühlen muss und mit Liebe und Freundlichkeit auf sich selbst schauen kann.

Britta Eyfried erzählt, wie ihr Therapeut ihr anhand des Lebens und der Musik von J.S. Bach viel über den Umgang mit Leid und Schicksalsschlägen vermittelte.

Katja Scholz fand die körperorientierte Therapie anfangs ganz schrecklich, profitierte dann aber sehr davon.

 

Für einige Interviewpartner konnten die Gespräche in der Reha-Klinik den Weg für eine spätere ambulante Psychotherapie bahnen.

Ana Schulze konnte im Aufnahmegespräch die Weichen für eine psychologische Hilfe stellen.

Maria Hoffmann fand die psychologischen Gespräche in der Reha so positiv, dass sie sich danach einen Therapeuten suchte.