Die Erfahrungen von Annemarie Merscher

Portrait Annemarie Merscher ist zum Zeitpunkt des Interviews 61 Jahre alt und verheiratet. Aufgrund von Polypen musste sie von 2006 bis 2014 halbjährig Kolo- und Rektoskopien machen. 2011 wurde hierbei Darmkrebs diagnostiziert. 2014 hatte Annemarie Merscher ein Rezidiv, bei dem sie ein dauerhaftes Stoma bekam. Die Kolo- und Rektoskopien erfolgten darauf von 2014 bis 2022 jährlich und sind seit 2022 alle zwei Jahre. Sie hat den Umgang mit Diagnose und Stoma erlernt und gibt ihre Erfahrung heute an andere Betroffene weiter.

Annemarie Merscher nimmt aufgrund ihrer Spenderleber Immunsuppressiva und wegen Polypen wird ihr Darm regelmäßig gespiegelt. Das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren vermutet sie als Grund dafür, dass 2011 bösartige Polypen bei einer Darmspiegelung festgestellt wurden. Sie wurde operiert und bekam ein temporäres Stoma. Die Rückverlegung bereitete ihr in Form von ständigen Toilettengängen große Probleme. Sie lernte jedoch das Irrigieren, eine gezielte Darmentleerung. Ein Rezidiv führte 2014 zu einem dauerhaften Stoma und auf die OP folgten Chemotherapie und Bestrahlung. Danach nahm sie eine Anschlussheilbehandlung wahr.

Während der Behandlungen ging es Annemarie Merscher insbesondere psychisch nicht gut, da sie Angst um ihre Spenderleber hatte. Ihr gaben die ärztliche Beratung und psychoonkologische Betreuung in der Zeit Rückhalt. Die Zeit in der Anschlussheilbehandlung und auch in späteren onkologischen Rehas, weit weg von zuhause, hat sie als sehr erholsam und entspannend empfunden. Annemarie Merscher ist sich bewusst, dass ihr beruflicher Hintergrund als Medizinisch-Technische Laborassistentin und ihre Eigeninitiative sie in der Versorgung sehr unterstützt haben.

Auch anderen Betroffenen möchte Annemarie Merscher einen sicheren Umgang mit der Krankheit und den Folgen ermöglichen, insbesondere mit dem Stoma. So gründete sie in ihrer Heimat eine eigene Selbsthilfegruppe und bietet einen Besuchsdienst bei Betroffenen im Krankenhaus an. Für sie ist es dabei wichtig, anderen mitzuteilen, dass auch trotz großer Ängste und Sorgen mit der Zeit alles zu bewältigen ist.

Annemarie Merscher hat gelernt, ihren Zustand zu akzeptieren, ist gelassener und nimmt sich mehr freie Zeit für sich selbst, seit sie 2014 frühzeitig in Rente gegangen ist. Sie kann heute Aufgaben abgeben, nach Hilfe fragen und diese annehmen. Was sie schafft, macht Annemarie Merscher dennoch gerne selbst und hält sich durch verschiedene Tätigkeiten beschäftigt. So genießt sie ihre sozialen Kontakte, beispielsweise bei gemeinsamem Sport, einem Tee oder Kaffee, in der Selbsthilfe oder als ehrenamtliche Lektorin. Ihr Glaube gibt Annemarie Merscher immer viel Kraft und Sicherheit, besonders auch bei den regelmäßigen Nachsorgeterminen.

Annemarie Merscher wird von ihrem sozialen Umfeld unterstützt. Die Telefonate mit ihrem Sohn, der weiter weg wohnt, geben ihr sehr viel Kraft. Annemarie Merscher freut sich darauf, ihn, seine Frau und ihre Enkelkinder bald noch häufiger zu sehen, wenn ihr Mann auch in Rente geht und sie beide flexibel sind.

Das Interview wurde im Juni 2023 geführt.

 

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