Die Erfahrungen von Helen Struch
Zum Zeitpunkt des Interviews im November 2021 war Helen Struch 46 Jahre alt und lebte mit ihrem Ehemann und zwei kleineren Kindern in einer Wohnung in einer Großstadt mit gutem Versorgungsnetz. Sie war als Journalistin tätig. Im März 2020 erkrankte Helen Struch mit Halsschmerzen, Husten, Atembeschwerden und Taubheitsgefühlen. Sie erlebte viele ihr bis dahin unbekannte körperliche Empfindungen und Wahrnehmungen, ebenso wie eine tiefe Abgeschlagenheit und Atemnot. Auch wenn sie nie eine bestätigte COVID-19 Diagnose erhalten hatte, bestätigten ihr viele Ärzte im Verlauf ihrer Krankheitserfahrungen, dass es sich vermutlich um die Folgen einer COVID-19 Erkrankung handelte. Helen Struch lebte zum Zeitpunkt des Interviews seit etwa 1,5 Jahren an den Folgen dieser Infektion.
Anfang März 2020 bekam Helen Struch zunächst Halsschmerzen gefolgt von Husten, einer einmaligen Fieberepisode, Atembeschwerden, Taubheitsgefühle in Händen sowie Füßen, empfindliche Kopfhaut und ihre Blutgefäße zeichneten sich stark dunkelblau ab. Ihre Erzählungen beschreiben durchweg sehr plastisch ihre körperlichen Empfindungen, die sie als „nicht normal“ bezeichnete. Dabei waren die Abgeschlagenheit und die Atemnot über lange Zeit bestimmend. Zu Beginn ihrer Erkrankung isolierte sie sich zu Hause von ihrem Ehemann und ihren Kinder in der gemeinsamen Wohnung. Zwei Wochen lag Helen Struch hauptsächlich im Bett und schlief, an diese Zeit kann sie sich kaum erinnern. Als es ihr nach den zwei Wochen eher schlechter ging, brachte sie ihr Ehemann auf Anraten eines befreundeten Neurologen in die Notaufnahme einer Klinik. Hier wurde ihr eine Virusinfektion unklarer Genese bescheinigt. Da ihre Blutwerte befundlos waren, wurde sie wieder nach Hause geschickt. Dies war der Beginn einer Odyssee nach einer guten ärztlichen Versorgung in einer Situation, in der es ihr immer schlechter ging. Nachts konnte sie nur schlecht schlafen. Ihr Mann versorgte in dieser Zeit ihre zwei Kinder, wovon eins schulpflichtig war. Alle drei waren aufgrund des Lockdowns zu Hause. Um ihren Mann zu entlasten, aber auch, weil sie gerne mit ihrer Tochter etwas unternehmen wollte, begann Helen Struch, kleine Spaziergänge mit ihrer jüngeren Tochter in den Park gegenüber der Wohnung zu machen. In der Folge verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sodass sie von solchen Versuchen, wieder in Bewegung zu kommen, zunächst abließ.
Die Erfahrungen von Helen Struch im medizinischen Sektor waren geprägt davon, dass ihr die Ernsthaftigkeit und Dramatik der Erkrankung nicht geglaubt wurde. Schließlich empfahl ihr ein Freund eine Ärztin, die sehr daran interessiert war, mehr über COVID-19 und seine Folgen zu erfahren. Es war die erste Ärztin, die ihr glaubte und die ihr bestätigte, dass auch andere COVID-19 Patient*innen ähnliche oder gleiche Symptome schilderten.
Die Krankengeschichte von Helen Struch war eine Odyssee, in der immer neue Symptome auf- und Verschlechterungen eintraten. Gleichzeitig wusste sie, dass sie mit ihrer Einschätzung ihrer Krankheit recht hatte. Dieses Wissen gab ihr auch die Kraft, ihren eigenen Weg und eine angemessene Versorgung zu finden. Zum Zeitpunkt des Interviews im November 2021 führte Helen Struch ihr eigenes „Reha-Programm“ zu Hause durch: zweimal die Woche Physiotherapie, Atemtherapie selbstständig und beim Logopäden. Sie bewegte sich so viel wie möglich und ging dreimal die Woche zum Rehasport. Seit September 2021 absolvierte sie dieses Programm und hatte die Erfahrung gemacht, dass sie dadurch leistungsfähiger wurde. Seit Mitte August 2021 sang sie auch wieder in einem Chor. Dies war anfänglich sehr anstrengend, wurde aber auch immer besser. Zusätzlich machte sie seit einem Jahr alle vier Wochen eine Gesprächstherapie. Eine erneute Reha hat sie erstmal abgelehnt, da sie sich jetzt selbst so viel Gutes zusammengesucht hatte, was eine Reha ihrer Meinung nach nicht bieten kann. Seit September konnte sie auch wieder Fahrradfahren. Joggen konnte sie noch nicht wieder, das war aber ihr nächstes Ziel.