Die Erfahrungen von Martin Krüger

Portrait Symptomatische Epilepsie, komplex-fokale Anfälle, sekundär generalisierte Anfälle, psychogene Anfälle Martin Krüger ist 38 Jahre alt und hatte vor 10 Jahren seinen ersten epileptischen Anfall, als er sich aus beruflichen Gründen im Ausland befand. Ursache des Anfalls war, wie sich später zeigte, eine Hirnhautentzündung. Eine erfolgreiche medikamentöse Behandlung wurde bis heute nicht gefunden und er leidet immer noch unter häufigen Anfällen. Martin Krüger arbeitete bis zu seiner Erkrankung als Pilot und hat eine Tochter.

Martin Krüger schildert, dass er seinen ersten Anfall in einem Hotel im Ausland erlebte, in dem er auf Grund seines Berufs als Pilot übernachtete. Er selbst hatte von dem Anfall nichts mitbekommen und man teilte ihm später erst mit, dass er eine Hirnhautentzündung hatte, die den Anfall auslöste. Seine erste Erinnerung ist die an den Flug zurück nach Deutschland, eine Woche nach dem Anfall. Es folgten viele weitere Anfälle, die mit Hilfe von Medikamenten nicht eingestellt werden konnten. Durch die Medikamente litt er außerdem an gravierenden Nebenwirkungen wie z.B. starkem Appetitverlust und Gewichtsabnahme, Aggressivität oder sehr starke Doppelbilder. Gemeinsam mit seinen Ärzten versuchte er ein gutes Gleichgewicht zwischen Medikamentenwirkung und Nebenwirkung zu finden.

Trotz Medikamenten hat Martin Krüger allerdings 10-12 Anfälle pro Monat, deren Art sich über die Jahre immer wieder veränderte. Er erzählt, dass zusätzlich zu den epileptischen Anfällen bei ihm auch psychogene Anfälle festgestellt wurden, die sich nur sehr schwer von den epileptischen unterscheiden lassen und deren Auslöser oft nicht einfach zu erkennen sind.

Aufgrund des geringen medikamentösen Erfolgs wurde vor einem Jahr ein Vagus-Nerv-Stimulator bei ihm implantiert, der jedoch auch nicht die gewünschte Wirkung zeigt. Vor einigen Monaten hat sich Martin Krüger daher dafür entschieden, eine Tiefenhirnstimulation durchführen zu lassen, und hofft nun, dass es damit zumindest zu einer Reduktion der Anfälle kommt.

Die Epilepsie hat Martin Krügers Leben grundlegend verändert und stellt für ihn eine Dauerbelastung dar. Er schildert, dass aufgrund seiner Erkrankung die Beziehung zu seiner damaligen Partnerin und Mutter seiner Tochter in die Brüche ging und dass er seinen Beruf als Pilot, der gleichzeitig seine große Leidenschaft war, aufgeben musste und nun frühberentet ist.

Neben dem Verlust seines Berufs erlebt er als besonders belastend, dass er seine Tochter nur in Begleitung anderer sehen kann, da seine ehemalige Partnerin zu viel Angst hat, es könne der Tochter bei einem Anfall etwas passieren.

Da er seinen Beruf als Pilot nicht mehr ausüben kann und seine Anfallssituation sehr stark schwankt, manchmal hat er viele Anfälle in wenigen Tagen, dann wieder einige Zeit gar keine, ist es für ihn derzeit nur möglich im Rahmen von Minijobs ab und an etwas dazu zu verdienen.

Dennoch will er sich von der Krankheit sein Leben nicht diktieren lassen und er nimmt lieber ein gewisses Risiko auf sich, beim Radfahren, Joggen oder Schnorcheln im Urlaub einen Anfall zu bekommen und sich dabei gelegentlich zu verletzen, als dass er nur noch zuhause bleibt. Allerdings hält er sich auch an gewisse Regeln, die sich für ihn als nützlich herausgestellt haben, wie genügend Schlaf oder Stressvermeidung.

Als besonders hilfreich erlebte er neben der Unterstützung von Familie und Freunden, die Zusammenarbeit mit einer Psychotherapeutin, die ihm geholfen hat, die Krankheit und die damit einhergehenden Veränderungen in seinem Leben besser zu verarbeiten.

Für die Zukunft hofft Martin Krüger, dass die Medizin weitere Fortschritte macht, die ihm vielleicht eines Tages sogar wieder Anfallsfreiheit ermöglichen.

Ein Jahr nach dem ersten Interview wurde ein zweites Interview mit Martin Krüger geführt. Inzwischen hatte er die Operation zur Tiefenhirnstimulation, einer neuen medizinischen Behandlungsmethode (siehe auch Thementext „Seltenere und neue Behandlungsmethoden“) hinter sich und berichtete in dem zweiten Interview, wie es ihm damit ergangen ist.

Martin Krüger erzählt, dass er die Operation selbst gut überstanden hat. Anfangs kam es zu einer unangenehmen Nebenwirkung: Er hatte alle paar Minuten, wenn der Stimulator ansprang, das Gefühl, dass seine Stimmung sich negativ verändert. Das Gefühl ging dann sofort wieder weg, kam aber nach ein paar Minuten wieder. Dieses Phänomen verschwand jedoch nach einigen Wochen wieder. Seither beeinträchtigt ihn das Gerät in keiner Weise mehr. Die Anfallssituation hatte sich anfangs deutlich verbessert, zum Zeitpunkt des Interviews waren jedoch wieder vermehrt Anfälle aufgetreten. Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt nach Ansicht der Ärzte noch zu früh, den Erfolg der Behandlung zu beurteilen.

Das Interview wurde im Herbst 2011 geführt.

Alle Interviewausschnitte von Martin Krüger